Erbe verpflichtet - Unsere Mühlenchronik seit 930

Eine Urkunde berichtet von einer

"femina monialia Rihni" in "Mulinheim"

die im Jahre 930 " eine Hube zu

Mulinheim und eine Mühle daselbzt"

besitzt. Nach ihrem Tode ging diese an

ihren Verwandten, den Salzburger

Bischof Odalbert.

 

Die nächste Erwähnung ist dann erst

wieder 1612, als ein Andre Frisinger als Miller zu Obermil erwähnt wird.

 

Ich finde es in diesem Zusammenhang

sehr lustig, dass meine beiden Söhne

Anton und Franz jetzt verheiratet sind

und in Friesing am Samerberg wohnen!

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Die Vorbesitzer unserer Mühle

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Unsere Mühle hat dann, so alle 50

Jahre, ihren Besitzer gewechselt.

 

Nach dem Müller Frisinger kam ein

Weyrer, dann Edlmayr anschließend

wechselte die Mühle alle paar Jahre

ihren Besitzer. Weyerer, Mayr, Furtner,

Pentenrieder waren alles Müller auf

unserer Mühle.

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Der letzte Besitzer seit 1876 war dann

Korbinian Schuster, Bauerssohn von

Heimgarten Pfr. Emmerting, der 1886

Mechthild Asböck, Kramergütlers-

tochter von Brandstätt, Exp. Edlin

heiratete. 

1925 brannten Wohnhaus, Stall, Stadel

und Mühle nieder.

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1926 heiratet Franz Serafin Schuster

die Maria Schmid von Wolferkam. Er

bekam die Mühle von seinen Eltern

aber erst nach dem Brand 1926.

 

Sie bauten die Mühle wieder auf und

bekamen 10 Kinder. Konnten die Mühle

aber nicht halten.

Meine Mühle im Wandel der Zeit vor 90 Jahren

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1927 kauft mein Großvater August

Wagenstaller mit seiner Frau Katharina

die Mühle.

 

Das war vor mehr als 90 Jahren: die

Geburtsstunde der Wagenstallermühle

in Obermühl. Zur Mühle gehörten eine

kleine Landwirtschaft und eine Säge-

werk.

Sie bekamen zuerst 5 Buben und dann

doch noch ein Mädchen. Mein Vater

war der letzte der Söhne.

 

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Seine Kundschaft waren Bauern und

Bäcker aus der nahen Umgebung.

Die Bauern brachten ihr Getreide und

bekamen dafür Abputz, Mehl und Kleie.

Für das Mahlen des Getreides zahlten

sie einen Mahllohn und wenn sie das

Mehl zum Bäcker brachten einen

Backlohn!

 

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Mein Großvater hatte zu dieser Zeit

auch immer "Mühlenärzte" über viele

Wochen in der Mühle. Heute gibt es

diesen Beruf auch noch, er nennt sich

"Mühlentechniker".

 

Reparaturen oder Neuerungen, alles

wurde vor Ort, mit den Materialien die

zur Verfügung standen, nach Kunden-

wunsch gebaut.


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Die Hoch - Zeit der Müllerei

Während und auch nach Kriegsende

waren Müller gefragte Leute, denn das

Volk hatte Hunger.

In einer Mühle, noch dazu mit Land-

wirtschaft, gab es viel zu tun. Die

eigene Arbeitskraft war oft die einzige

Zahlungsmöglichkeit, die man hatte –

und so wurde in dieser Zeit bei uns viel

gebaut.

 

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1947 zeichnete Professor Rudolf

Esterer, ein guter Freund meines

Großvaters, damals Präsident der

Bayerisch Schlösser- und Seenver-

waltung, diesen Plan zur Neugestal-tung unsers Mühlenanwesens.

 

Zur Umsetzung brachte Rudolf Esterer

seine Künstler und Handwerker aus

dem zerstörten München dazu mit aufs

Land.


 

 

Die Neugestaltung unserer Mühle,

wurde dann von seinem Stuckateur

Maile und heimischen Schreinern,

Zimmerern und Malern nach seinen

Vorgaben ausgeführt.

 

Diese Außenfassade steht mittlerweile

unter Denkmalschutz – und wir sind

sehr stolz darauf, dass unser Großvater

einen so guten Freund hatte.


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"GLÜCK ZU!"

Die siebziger Jahre

1964 heiratet mein Vater Anton

Wagenstaller meine Mutter Anneliese

Herzinger.

 

1965 kam ich als älteste Tochter zur

Welt. Am Ende war es dann ein

Dreimäderlhaus.


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Mein Vater war Müller mit Leib und

Seele. Der letzte Mühlstein aus unserer

Mühle wurde mit einem Lied aus der

Mühle verabschiedet.

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So wurde bei uns das Mehl in den 70er

Jahren an die Bäcker ausgefahren. Mein

Vater belieferte zu der Zeit um die 20

Bäckereien in der näheren Umgebung.

 

Die Mühlenarbeit von ein paar Wochen,

Tag aus Tag ein, das ganze Jahr. Die

meisten Bäcker von damals gibt es

leider schon lange nicht mehr.

Unsere Kindheit in Obermühl

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Mein Opa und ich mit unseren freilauf-

enden glücklichen Hühnern. Rund um

ihren großen, gepflegten Bauerngarten

hatte meine Oma, immer so an die 40

Hühner. Dazu kamen dann noch ein

paar Enten und Gänse. Mein kleiner

Kräutergarten ist nur noch ein Viertel

so groß, wie der von der Oma.

 

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Beim Mehlausliefern waren wir als

Kinder natürlich immer dabei! Denn bei

einigen der Bäcker gab es dann schon

mal eine Breze oder a Stückerl Kuchen.

 

Das besondere dabei, war immer die

Mehlrutsche, die in das Sacklager der

Bäcker führte.

 

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Zu der Mühle gehörte eine kleine

Landwirtschaft, die mein Onkel Martin

bewirtschaftete. In der besten Zeit

waren es an die 20 Stück Vieh. Wir

waren gerne bei ihm im Stall, denn er

hatte immer sehr schöne Geschichten

auf Lager!

 

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Der Bach unsere Heimat

Dieses Bild ist schon 70 Jahre alt und

dass sie erwischt worden sind, wenn

auch nur mit der Kamera, ist nun auch

schon lange verjährt!  

 

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Für uns hatte der Bach immer etwas Besonderes aber auch Gefährliches!

Beim Tarzanspielen oder im Frühjahr mit den ganzen Froschlaichen, den Enten mit

ihren Jungen. Aber immer Vorsicht, das Wasser ist kalt, maximal 15°C, auch im

heißesten Sommer.


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Unsere Stauanlage benötigte natürlich eine genaue Planung und eine Genehmigung durch das Wasserwirtschaftsamt. Heute ist von Restwasser, Fischtreppen und vielem mehr die Rede.

 

Wir haben leider kein Altrecht auf unser Wasser, da ein Genehmigungsbescheid in

den 60er Jahren nicht fristgerecht abgeschickt wurde!

 

Da halfen 1088 Jahre Mühlengeschichte leider auch nicht.

Meisterlich über Generationen

Die Wurzeln der Familie Wagenstaller

reichen zurück bis in das Jahr 1765 als

ein gewisser Georg Wagenstaller ("der

aus dem Wald kam ...") die Aumüllers-

tocher heiratete.

 

Seit dieser Zeit sind meine Vorfahren immer Müller gewesen. Mein Opa August Wagenstaller ist in der Paus-mühle bei Assling geboren.

 

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Mein Opa hatte fünf Buben, von denen

mein Vater als Dritter das Müllerhand-

werk erlernt hat.

 

Zu dieser Zeit gab es noch sehr viele

Mühlen im Chiemgau und so kam er als

Müllergeselle auch nach Nußdorf, um

dem dortigen Müller für ein halbes Jahr

zu helfen.

 

 

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Meine Meisterprüfung ist schon eine

Weile her, aber damals war ich die

jüngste Müllermeisterin Deutschlands.

 

Mein Vater war damals gesundheitlich

angeschlagen, was mir diese frühe

Zulassung zur Meisterprüfung möglich

machte. Das war genau in der Zeit, als

Tschernobyl zu strahlen begann. 

 

 

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Jüngste Müllermeisterin Deutschlands 1986

´86, vier Wochen vor meiner Hochzeit, wurde ich als Annelie Wagenstaller die jüngste Müllermeisterin Deutschlands.

 

Das war nur möglich, da mein Vater

gesundheitliche Probleme hatte und

ich die Mühle übernehmen sollte.

 

Zu dieser Zeit musste man noch drei

Gesellenjahre nachweisen, um zur

Meisterprüfung zugelassen zu werden.


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Bei meiner Hochzeit habe ich dann

denn Namen Bauer von meinem Mann

angenommen.

 

Diese Neuigkeit, dass eine Frau, noch

dazu so jung, Müllerin geworden ist,

hat die Presse bis Amerika interessiert.

 

Meinen Mädchennamen Wagenstaller,

habe ich mir mit meinem ersten Buch

"Brot & Heimat" wieder zurück geholt!

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Als Künstlername – einfach genial!

 

Wenn ich heute Wagenstaller in die

Suchmaschinen eingebe, bin ich sofort zu finden.

Seit den 80er Jahren eine Naturkostmühle

Was passt besser zu einer kleinen

Mühle als ein Mühlenladen, in dem es

alles rund um die gesunde Ernährung

gibt.

 

Bereits in den 80er Jahren waren wir

Pioniere der Bio- bzw. Naturkostszene.

 

Mit unserem Sortiment waren wir die

ersten in der Region, bei denen es

Müsli, Getreideflocken, Vollkornnudeln

und vieles mehr gab.

 

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Unsere Mühle liegt idyllisch, aber weit

ab vom Schuss, an einem kleinen Bach,

der in den Simssee fließt.

 

Damals gab es noch kein Navi oder

Handy mit GPS, so waren wir auf ein

paar Schilder angewiesen. Die jedoch

alle genehmigt werden mussten.

 

SZ Kommentar 2013: Da Schilder, die

zur Naturkostmühle führen, rar sind,

stellen Sie am Besten Ihr Navi ein, um zu den Wagenstallers zu finden.


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Mit zahlreichen Aktivitäten, von der

Grünen Woche in Berlin bis hin zur

Landesgartenschau in Rosenheim,

machten wir auf uns aufmerksam.

 

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Jahrhundert Hochwasser

Das erste große Hochwasser zu meiner

Zeit war 1974, da hieß es nur "Land

unter". Innerhalb von ein paar Stunden,

mit Hagel und sehr viel Regen hat es

unsere Mühle heimgesucht. Das Dach

war durchlöchert und der Bach trat

massiv über seine Ufer.

 

Die Bundeswehr ist damals gekommen

und hat beim Aufräumen geholfen.


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Jahrhundert-Hochwasser hat man – wie

der Name schon sagt – nur selten, aber

sie kommen mittlerweile im Abstand

von wenigen Jahren.

 

Unser Wildbach kann ganz schön wild

werden, wenn es nach Regen dann

noch einen Starkregen über kurze Zeit

gibt!


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Gott sei Dank hat das Wasserwirt-

schaftsamt nach dem letzten Hoch-

wasser 2012, den Bach erheblich

verbreitert.

 

So blieb er wie man sieht die letzten

Male noch in seinem neuen, breiten

Bachbett!

Jede Generation sollte seinen Beitrag leisten

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Nach 70 Jahren war es einfach nötig,

unsere denkmalgeschütze Außen-

fassade durch einen Kirchenmaler

wieder in neuem Glanz erstrahlen

zu lassen.

 

Dabei wurden auch alle Fenster von meinem Mann, Zimmerei Bauer, durch

zum Haus passende Sprossenfenster ersetzt.

Auch in der Mühle wurde so einiges

renoviert, z. B. wurden moderne Abscheider für die neue Pneumatik eingebaut.

 

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Im Zuge einer Ladenrenovierung hat

mir mein Mann mit seinen Leuten

neben neuen Regalen auch die

komplette Beleuchtung auf energie-

sparende LEDs umgerüstet.